Mittwoch, 7. Februar 2018

Verlorene Liebe: Stefan


Meine erste Stiefmutter war weg. Sie war so ungefähr vier Jahre bei uns gewesen (in dem Alter eine nahezu endlos lange Zeit), und ich hatte schon gedacht, es wäre für immer. Ich wurde eines besseren belehrt. Sie war ausgezogen (auf nicht gerade subtile Art), und es dauerte nicht lange, bis mein Vater wieder mit irgendwelchen Tussis antanzte. Ich achtete irgendwann nicht mehr darauf, wer mir am Frühstückstisch gegenüber saß. Sie waren zahlreich, gesichtslos, farblos und hinterließen keinen dauerhaften Eindruck bei mir. Wenn ich von der Schule kam, konnte ich sicher sein, das sie weg waren. Ich kannte meistens ihre Namen nicht, und es war mir auch egal. Sie würden sowieso alle nicht bleiben.

Eines Tages, ich war so um die vierzehn, stellte sich mir eine Frau mit 'Hedda' vor. Sie war so ganz anders als die
anderen, etwas kleiner als ich, ein wenig rundlich (nicht dick, aber irgendwie wie ein Knubbelchen), hatte ganz kurze, am rundlichen Gesicht anliegende, schlohblonde Haare, und strahlte mich an. Sie sagte, sie würde sich sehr freuen, mich kennenzulernen, und das wir doch mal was zusammen unternehmen könnten. Sie habe zwei Söhne - den 16jährigen Stefan und den 18jährigen Sowieso (leider weiß ich gar nicht mehr, wie er hieß) - und das ich Stefan unbedingt mal treffen müsse.
Was zusammen unternehmen, dachte ich nur. Sie und ich also? Das war neu! Sowas hat mir noch keine von Paps Freundinnen vorgeschlagen. Und das taten wir auch! Wir gingen zusammen Platten shoppen, gingen ins Kino - Karate Kid II war angesagt, und der war ja sooo süß! - und machten überhaupt so einiges zusammen. Wir quatschten viel, sie hörte mir immer zu, und sie half mir sogar bei den Hausaufgaben. Ein Unding, sowas kannte ich überhaupt nicht: eine Frau, die sich richtig viel Zeit für mich nahm! Hedda war toll, ich mochte sie unheimlich gern und hoffte, das das mit ihr und Paps halten würde.

Und dann lernte ich eines schönen Sonntags Stefan kennen, ihren Sohn. Der war ein langer Typ, nicht riesig oder so, aber ein wenig dünn, hatte blonde Haare und blaue Augen und war so gar nicht mein Typ. Schade, dachte ich da nur. Aber er hatte was, was bisher noch kein Junge hatte: er war da. Er war nett, er war interessant und wir hatten den gleichen Musikgeschmack. Und er interessierte sich für mich, wollte immer, das ich ihm was über mich erzählte. Und hey Mädels, wenn das mal nicht eine gute Basis ist! 😉 Er nahm mir schon in den ersten Minuten, die wir uns zusammen auf meinem Bett lümmelten, die Scheu (ich hatte lediglich einen Bürostuhl im Zimmer, und wenn Besuch da war, saßen wir entweder auf dem Boden oder auf dem Bett, also bitte sehr, mal nicht gleich wieder an was Versautes denken! 😛). Ich hatte nämlich die Angewohnheit, in Gegenwart von Jungs keinen Pieps rauszubekommen, und das wirkte meistens entweder arrogant, oder aber erweckte den Eindruck von Desinteresse und rief die Reaktion "och, die will ja nicht mit mir reden" hervor. Daraus ergaben sich dann Probleme, die ich mit ein paar netten Worten direkt hätte vermeiden können.

Bei dem zweiten oder dritten Mal, als Stefan bei mir auf dem Bett hocke - in gebührlichem Abstand natürlich, der Junge hatte Manieren - streifte seine Hand die meine. Seine Finger fuhren ganz zart und vorsichtig über meine Hand, und ich spürte mit einemmal ein Kribbeln im Bauch. Mein Herz tat einen Sprung, und ich dachte, das ich diese Chance ergreifen sollte. Tat ich dann tatsächlich, ich konnte es selber nicht fassen! Ich nahm seine Hand ganz leicht und drückte sie. Er drückte zurück. Ich traute mich gar nicht, ihn anzusehen, aber als ich schließlich aufblickte, lächelte er mich an. Ich weiß nicht, was das war, aber sein Blick war einfach lieb.
Stefan sagte:
"Wollen wir nicht mal was zusammen unternehmen?"
Ich war sehr genant. Schüchtern. In meinem Kopf erzählte ich alles mögliche, aber raus brachte ich keinen Ton.
"Was kann man denn mal so machen?" fragte ich dann echt dümmlich.
"Wir könnten ja mal Rollschuhlaufen gehen. Und ich könnte auch mal ein paar Platten mitbringen."
"Au ja," und siehe da, da schwang sogar Begeisterung mit!

Das taten wir dann. Wir gingen - da Sommerferien waren - fast jeden Tag Rollschuhlaufen. Hat riesig Spaß gemacht! Wir nahmen uns sogar manchmal an den Händen und liefen in wilden Bahnen nebeneinander her.
Als es auf den Herbst zuging, öffnete die Eislaufbahn ihre Tore. Die DEG trainierte hier, und man konnte dann zwischendurch in 2-Stunden-Etappen Eislaufen. Klaro lief ich in Hockey-Schlittschuhen, denn die normalen waren einfach nicht für mich gemacht. Ich war wild auf der Eislaufbahn. Ich rannte, ich sprang, und ich schlitterte energisch gegen die Bande. Stoppen gab es für mich nicht, ich bremste, indem ich gegen die Bande fuhr und mit dem Knie abfing. Natürlich gab's auch mal 'ne Schlittschuh-Disco. Stefan lud mich ein, und ich fand's phänomenal! Wir liefen die ganze Zeit nebeneinander, hielten Händchen und grinsten uns zwischendruch immer wieder an. Wir reden über Musik und über Filme, und dann sagten wir uns, das wir uns sehr gern hatten.
"Ich hab' dich lieb," sagte Stefan, als wir so ein Eisgetränk in grün schlürften.
Da fiel mir vor lauter Schreck fast der Strohhalm aus'm Mund, und ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Ich lief an wie eine überreife Tomate und guckte zu Boden.
"Ich hab' dich auch lieb," krächzte ich dann leise.
Stefan sah mich mit so einem Blick an... ich weiß ja auch nicht, aber das war, als würde die Sonne aufgehen. Er war ja schon sehr süß, auch wenn er mir gar nicht gefiel. Ich dachte damals noch, das das was bedeutete. Das es mir egal war, wie er aussah, das ich ihn einfach gern hatte, weil er so war, wie er war.

Er brachte auch mal eine LP mit. Das war Queens unvergessliche "A Kind of Magic". Ich gebe zu, das ich Queen zwar aus dem Radio kannte, aber mich nie weiter für die Musik interessiert hatte. Doch als wir dann 'Friends Will Be Friends' lauschten, und schließlich auch 'Who Wants to Live Forever' erklang, war es um mich geschehen: mir wurde klar, das ich mich verliebt hatte. In Stefan, nicht in Queen. 😝

Wie das Leben so spielt, ist nichts weiter draus geworden: mein Vater trennte sich nach einigen Monaten von Hedda - wegen eines Streits mit ihrem älteren Sohn, der meinem Vater die Leviten gelesen hatte, und im Nachhinein kann ich nur sagen: hat er gut gemacht! - und weg war Stefan. War eben damals nicht so, das man dann am Telefon hing, um Kontakt zu halten. Weg war weg, ich war es auch gar nicht anders gewöhnt. Aber diesmal hat es mir das Herz gebrochen. Mein Vater verbot mir natürlich, Stefan nochmal wiederzusehen, und ich hielt mich daran, auch wenn es meine Seele in Stücke riss.

Verlorene Liebe, mein Stefan. Ich wünsche mir von Herzen, das Du die Große Liebe gefunden hast und ein glückliches Leben führst! Zu gerne würde ich Dich nochmal sehen oder mit Dir reden und Dir sagen, das Du nicht einfach vergessen bist.
💘

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